Tittibhasana, ṭiṭṭibhāsana – die Feuerfliegenvogelposition
Damit du den Ausdruck jeder einzelnen Stellung mit einigen Gedanken auf dich wirken lassen kannst, findest du hier in der Rubrik Asana-Zitate jedes Foto einzeln aufgeführt, zusammen mit einem kurzen Text. Die Texte widmen sich verschiedenen Aspekten zum tieferen Sinn des Yoga-Übens. Wer sich für das Erlernen dieser schönen Positionen interessiert, sollte sich an einen kompetenten Yogalehrer wenden, um Fehler in der Praxis zu vermeiden!
ṭiṭṭibhāsana
Feuerfliegenposition, Krähenvariante: „Das Bewegungsmoment in der richtigen Zentrierung ermöglicht die Getragenheit auf den Armen in relativer Kraftlosigkeit.“¹
Diese Variante der Krähenposition trägt den Namen des in Europa unbekannten Vogels ṭiṭṭibhaka, dessen lateinische Bezeichnung Irediparra gallinacea lautet. Das Laufen mit weit gespreizten Beinen über Lotusblumenblätter auf dem Wasser scheint eine typische Geste dieses Vogels zu sein (siehe Titelbild) und bringt eine Nähe zum äußeren Bild der Yogaposition.
Davon unabhängig gibt es eine Fabelgeschichte über ein Titthiba-Vogelpärchen, die in Yogakreisen erzählt wird. Ich habe sie in italienischer Sprache im Internet gefunden und gebe sie im Folgenden auf Deutsch wieder:
Es war einmal ein Tittibhavogelpärchen am Meeresufer auf der Suche nach dem geeignetsten Ort, um das Nest zu bauen, in das sie ihre Eier ablegen konnten. Das Weibchen schlug eine Klippe vor in der Hoffnung, damit den Platz ein für allemal festzulegen und endlich die Eier darin ablegen zu können. Aber das Männchen schwang die großen Schwimmflügel und meinte, es würde lieber das Nest am Meeresufer, im weichen Sand bauen.
Das Weibchen traute der Sache nicht ganz; es hatte Angst, dass das Meer bei Vollmond so sehr ansteigen könne, dass es die Eier wegtragen würde. Dennoch wollte das Männchen von seiner Idee nicht abkommen und meinte, es würde höchstpersönlich die Eier vor dem Meer beschützen. Um seine Kraft und seinen Mut vor seiner Gefährtin unter Beweis zu stellen, brüstete es sich auf und trippelte hin un her.
Schließlich musste das Weibchen mit seiner Meinung weichen und die beiden Tittibha machten das Nest im Sand, wo es endlich die Eier ablegen konnte. Während es brütete, sah das Weibchen eine mächtige Flut näherkommen. Das Herz schlug ihm immer stärker in der Brust, während das Meer sich anhob. Das Männchen ging zum Ufer, breitete die Flügel aus, richtete den Kopf gerade und sprach mit erhobener Stimme: HALT EIN! So wollte er das Meer einschüchtern.
Aber das Meer hörte ihm nicht und nahm das Nest mit den Eiern mit, während die beiden Vögel wegflogen. Verzweiflung übermannte die beiden Tittibha. Das Männchen flog hin und her auf der Suche nach Hilfe, bis es auf Garuda traf, den König der Vögel und das Reittier Vishnus zugleich. Garuda war damit einverstanden, den Vögeln zu helfen und wandte sich direkt an Vishnu, während sich um sie ein Sturm von Vögeln aller Rassen formte: Da waren Schwäne, Krähen, Kraniche, Reiher, Pfauen und Tauben.
Vishnu, der das Meer bestens kannte, da es sein Schlaflager war, setzte sich für die verzweifelten Vögel ein. Gerade als alles verloren schien, sahen die beiden Tittibha vom Horizont eine gigantische Welle herankommen, wie sie nie zuvor eine gesehen hatten. Langsam bewegte sich die Welle auf das Ufer zu. Auf ihrer Spitze befanden sich, ganz im Gleichgewicht, die unversehrten Eier. Die Welle setzte sie sanft am Ufer ab und mit derselben Langsamkeit, mit der sie gekommen war, verschwand sie wieder.²
Der englischsprachige Wikipedia-Artikel über ṭiṭṭibhāsana erklärt die Bedeutung dieser Geschichte sinngemäß folgendermaßen: So wie diese kleinen und schwachen Vögel es schaffen, dass das Meer ihrem Anliegen Folge leistet, so kann der geistig Suchende mit Hilfe der Yogapraxis das Meer der Illusion in der Welt überwinden.³
Textquellen und Anmerkungen:
(1) Heinz Grill, Die Vergeistigung des Leibes, Lammers-Koll-Verlag 2004, S. 96
(2) Shivaflow.wordpress.com, Tittibha – il mito
(3) En.wikipedia.org, ṭiṭṭibhāsana
ṭiṭṭibha = die Feuerfliege, der Feuerfliegenvogel = Irediparra gallinacea
āsana = das Sitzen