Raja kapotasana, rāja kapotāsana – Königskobra
Damit du den Ausdruck jeder einzelnen Stellung mit einigen Gedanken auf dich wirken lassen kannst, findest du hier in der Rubrik Asana-Zitate jedes Foto einzeln aufgeführt, zusammen mit einem kurzen Text. Die Texte widmen sich verschiedenen Aspekten zum tieferen Sinn des Yoga-Übens. Wer sich für das Erlernen dieser schönen Positionen interessiert, sollte sich an einen kompetenten Yogalehrer wenden, um Fehler in der Praxis zu vermeiden!
rāja kapotāsana
Königskobra. Die Brust ist intensiv „nach vorne geschoben“ ¹
B.K.S. Iyengar über rāja kapotāsana:
„Rājakapota ist der König der Tauben. Dies ist eine sehr ansprechende, aber schwierige Stellung. Die Brust wird nach vorne geschoben wie die einer herumstolzierenden Taube. Daher der Name.² – In Kapotāsana³ fühlt der Lendenbereich der Wirbelsäule die Spannung. Rājakapotāsana dagegen ist sowohl für die Lenden- als auch für die Rückengegend der Wirbelsäule wohltuend. Die Hals- und Schultermuskulatur sind vollkommen gestreckt und werden bearbeitet. Da das Körpergewicht auf der Schamgegend ruht, kreist dort mehr Blut und dadurch wird dieser Bereich gesund erhalten. Die Bauchorgane werden gegen den Boden gepresst und massiert. Schilddrüse, Nebenschilddrüsen, Nebennieren und die Geschlechtsdrüsen erhalten eine verstärkte Blutzufuhr und die Vitalität wird erhöht. Zusammen mit Kandāsana4 und Supta-Trivikramāsana5 ist Rājakapotāsana hilfreich bei der Beherrschung sexueller Begierden.“¹
Yoga zur Beherrschung sexueller Begierden?
Beim ersten Lesen klingt die Beschreibung der Wirkungen von Rājakapotāsana durch B.K.S. Iyengar sehr verlockend: Könnte es sein, dass man anhand von Yogaübungen sexuelle Begierden „unter Kontrolle“ bekommt? Vielleicht mag dies in unserer freizügigen modernen Zeit, wo man nur allzuleicht ekstatische sexuelle Erfahrungen mit spirituellen Erlebnissen verwechselt, als ein überholtes und unsinniges Ansinnen erscheinen. Wer sich jedoch ernsthaft mit Yoga befasst, stößt früher oder später auf die Anforderung, sexuelle Energien von reiner Gedankenenergie zu unterscheiden. Und im klassischen Yogapfad im Sinne eines geistigen Schulungsweges war es geradezu ein notwendiger Bestandteil, sich die Fähigkeit zur Kontrolle der vom Körper aufsteigenden Begierden und Triebhaftigkeiten zu erwerben.
Also dann, nichts wie ran und die genannten Übungen in die tägliche Yogasequenz einbauen! Aber oje! Ein Blick auf die Fotos der von Iyengar erwähnten Positionen bremst den Eifer schnellstens ab: Diese Positionen sind so schwierig, dass sie von den meisten Personen gar nicht ausgeführt werden können. Schade, dann wird es wohl nichts mit der erhofften Kontrolle und inneren Stabilität durch Yogaübungen.
Der Weg ist das Ziel
Vielleicht lässt sich aber mit einem erweiterten Gedanken doch ein Sinn und Ziel für das Üben dieser so schwierigen Stellungen finden: Wer sich vornimmt, eine so schöne und edle Position wie die Königskobra zu erlernen, wird wohl gar nicht anders können als seine persönlichen Sentimentalitäten und Befindlichkeiten ein Stück weit zurück zu lassen. Indem man sich in eine Realität vertieft, die noch ganz außerhalb der eigenen Möglichkeiten liegt, übersteigt man sich selbst und – der Körper mit seinen Trieben und Begierden wird zwangsläufig etwas zurückweichen.
Das Ziel kann demnach gar nicht hoch genug gesteckt werden, während man sich mit Ruhe und Ausdauer auf den Weg macht. Von jeder perfekten Yogastellung gibt es einfachere Varianten, die bereits den inneren Charakter der vollkommenen Position in sich tragen: Die Königskobra bereitet man am besten mit der Kobra vor, Kandāsana mit Baddha Koṇāsana, dem Winkelsitz und bevor man mit den Beinen zum liegenden Spagat in Supta-Trivikramāsana ausgleitet, kann man sich mit dem liegenden Dreieck, Supta–Trikoṇāsana, befassen.
Quellen und Anmerkungen:
rāja = der König
kapota = die Taube
āsana = das Sitzen
kanda = Knolle, Keim
tri =drei
supta = am Boden aufliegend
vikrama = der Schritt, die Stufe
(1) B.K.S. Iyengar, Licht auf Yoga, O. W. Barth Verlag 2004, S. 365/366
(2) Iyengar nennt die Position Königstaube, während sich im deutschen Sprachraum mehr die Bezeichnung Königskobra eingebürgert hat. Praktisch gesehen ist die Position eine sehr fortgeschrittene Variante von Bhujaṅgāsana, der Kobra.
(3) Kapotāsana:
(4) Kandāsana:
(5) Supta-Trivikramāsana:
Bildquellennachweis (19-10-14):
Taube-Bild von Free-Photos auf pixabay, Rājakapotāsana-B.K.S. Iyengar, Licht auf Yoga, S. 366, Kapotāsana-www.yogabaron.com, Kandāsana_www.sensational-yoga-poses.com, Supta-Trivikramāsana_www.yogadancer.com