B.K.S. Iyengar und die perfekte Yoga-Praxis
Biographische Skizze des Autors von Licht auf Yoga.
1918 – 1951 B.K.S. Iyengar in Krankheit und Armut
Bellur Krishnamachar Sundararaja Iyengar wurde am 14. Dezember 1918 in Bellur in der indischen Provinz Karnataka als 11. von 13 Kindern geboren. Da seine Mutter während der Geburt an einer Grippe-Infektion litt, war es bereits bei seiner Geburt fraglich, ob Mutter und Kind überleben würden. Beide überlebten, aber der kleine Sundararaja, wie er mit seinem eigentlichen Vornamen genannt wurde, hatte eine schwächliche Konstitution. Er war anfällig für Krankheiten und da die Familie arm war, litt er zudem an Unterernährung. Als er 9 Jahre alt war, verlor er noch dazu seinen Vater. Im Alter von 16 Jahren prophezeite ihm ein Arzt, dass er keine lange Lebenserwartung habe und womöglich in zwei Jahren sterben werde.
Genau in dieser Zeit aber wurde er von seinem Schwager und Yogameister Krishnamacharya eingeladen, sich um seine Schwester zu kümmern, während Krishnamacharya auf Reisen war. Bei seiner Rückkehr forderte dieser ihn auf, noch zu bleiben und einige Yoga-Übungen zu lernen, um seine Gesundheit zu verbessern. Krishnamacharya war zu dieser Zeit bereits berühmt für seine Heilkunst und so ist es interessant, wie er Iyengar begegnete. Im Film Leap of Faith wird berichtet, dass er Sundararaja die Teilnahme am Yoga-Unterricht in seiner Shala – seiner Yogaschule – zunächst verweigerte, aber ihn zusammen mit seinem besten Schüler in ein Zimmer steckte und ihn aufforderte, Asanas zu praktzieren. Iyengar war dadurch in extremem Maße auf sich selbst gestellt und musste sich zudem an anfallenden häuslichen Arbeiten beteiligen und natürlich auch eine Schule besuchen. Gleichzeitig hatte der schwächliche Junge aber ständig die Vorbilder des Musterschülers und seines späteren Guru Krishnamacharya vor Augen. Wenn er Krishnamacharya aber um Unterricht bat, bekam er lediglich zur Antwort: “Asana zu lernen hängt von dem Karma aus einem früheren Leben ab.”
Krishnamacharya führte in seinem Haushalt ein extrem strenges Regiment und nach einigen Monaten geschah es, dass der Musterschüler verschwand und nie mehr wiederkehrte. Zunächst vergrößerte sich damit die Last für Sundararaja, denn er musste die häuslichen Pflichten seines Zimmergenossen mit übernehmen. Als er aber nach einem Besuch bei seiner Familie wieder zu Krishnamacharya zurück kehrte, setzte ihn dieser an den Platz des Musterschülers in der Yogaschule und binnen der nächsten zwei Jahre wurde aus Iyengar der Vorzeigeschüler, wenn es um das Demonstrieren von Asanas ging. Bis er sich selbst aber vollständig geheilt von seiner kränklichen Konstitution fühlte, sollten noch weitere vier Jahre vergehen.
Ein anderer Einschnitt kam damals in sein Leben durch den Umstand, dass er aufgrund einer Erkrankung das Englisch-Examen im College nicht bestanden hatte und somit die Schule ohne Abschluss beenden musste. Etwas Englisch hatte er aber – im Gegensatz zu seinem Schwager Krishnamacharya – gelernt und so kam es, dass dieser ihn im Alter von 18 Jahren nach Pune schickte, wo er eine Gruppe von Frauen im Yoga unterrichten sollte. Da er mit 18 als noch nicht volljährig galt, hielt man es für am schicklichsten, wenn er als noch unreifer Junge die Frauen unterrichtete. Aus dieser Erfahrung, die zunächst wieder eine vollkommene Überforderung für ihn darstellte, der keine Ausbildung zum Yogalehrer genossen hatte, ging für ihn eine dreijährige Anstellung hervor. Nach deren Beendigung blieb er als freier Yogalehrer in Pune.
Die Armut begleitete ihn aber nach wie vor ständig und seine um ihn besorgte Familie drängte darauf, dass er heiraten sollte. Schließlich stimmte er zu, die damals 16-jährige Ramamani zu heiraten und von da an hatte er eine wichtige Stütze – und eine neue Schülerin. Nach und nach mehrten sich die Schüler, aber nun galt es auch, eine Familie zu ernähren, denn das Paar bekam insgesamt sechs Kinder. So blieb das Leben noch für längere Zeit ein Kampf ums Überleben, wie es seit seiner Geburt an nicht anders gewesen war.
Iyengar aber praktizierte täglich stundenlang Yoga, um den Herausforderungen des Unterrichtens gerecht zu werden und stellte sehr hohe Ansprüche an sich selbst.
1952 – 1974 B.K.S. Iyengar als internationale Berühmtheit
Die große Wende im Leben von Iyengar kam, als der berühmte Geiger Yehudi Menuhin ihn um Yoga-Unterricht bat. Zu dieser Zeit konnte der Geiger wegen Sehnenscheidenentzündung nicht musizieren und es gelang Iyengar tatsächlich, dass sich der Gesundheitszustand von Yehudi Menuhin verbesserte. Hocherfreut über die Resultate des Yoga lud Menuhin ihn nach Europa ein und so begann eine neue Phase im Leben von Iyengar. Fortan teilte sich sein Leben zwischen der Heimat in Indien und ausgedehnten Reisen nach Europa und in die Vereinigten Staaten. Seine prominenteste Schülerin war die Königin Elisabeth von Belgien, die im Alter von 80 Jahren den Kopfstand erlernte.
Iyengar betrachtete Krishnamacharya sein Leben lang als seinen Guru. Wie dieser über ihn dachte und ihn letztlich von Anfang an genau richtig gefördert hatte, zeigt sich in einer Begebenheit, die Iyengar selbst erzählt:
Er lehrte mich nie viel über das Unterrichten, aber er sah mich unterrichten. 1961 kam er nach Poona und unterrichtete meine Tochter und meinen Sohn. Er unterrichtete für viele Stunden, aber unglücklicherweise konnten sie nicht erfassen, was er ihnen zeigen wollte. Als ich kam und fragte, was das Problem war, sagte meine Tochter, dass sie eine bestimmte Position nicht verstehen konnte. Also erklärte ich ihr: “Du musst dich von hier nach hier ausdehnen.” Und unmittelbar, als Krishnamacharya das sah, gab er mir eine goldene Medaille, die man Yoga Shikshaka Chakravarti nannte, das bedeutet “Kaiser der Yogalehrer, der Beste aller Lehrer”. Er sagte, ich müsse genau so unterrichten und dies nicht nur im privaten Rahmen, sondern öffentlich.
Immer wieder wurde in der kommenden Zeit der Wunsch an Iyengar herangetragen, dass er doch ein Buch über den Yoga schreiben sollte. Er spricht selbst darüber, wie er sich vieles zutraute, aber doch nicht das Schreiben eines Buches! Seine Frau jedoch ermunterte ihn, es zu versuchen, und so kam in einer Arbeit von 7 Jahren das Buch Licht auf Yoga mit zahlreichen Fotos von Yoga-āsana zustande. Im Jahr 1966 wurde es das erstemal aufgelegt.
1973 starb seine Frau im jungen Alter von nur 46 Jahren. Iyengars Kinder berichten davon, wie der Vater in der Folgezeit bisweilen so intensiv an seine verstorbene Frau dachte, dass die Kinder ihre Anwesenheit nach wie vor spürten.
1975 – 2014 B.K.S. Iyengar als Yogacharya – Yogameister
Somit begann wieder ein neuer Lebensabschnitt für Iyengar. Im Jahr 1975 eröffnete er seine eigenen Yogaschule in Poona und gab ihr den Namen seiner verstorbenen Frau Ramamani. Seine Tochter Geeta und sein Sohn Prashant, die von Kindheit an von Iyengar in das Unterrichten einbezogen wurden, entschieden sich, nicht zu heiraten und sich ganz der Führung des Instituts zu widmen.
Wenn Iyengar sich auch dafür aussprach, dass man mit Yoga am besten in jungen Jahren beginnen sollte, so war er dennoch der Überzeugung, dass für alle Menschen, junge und alte, gesunde und kranke, ein Zugang zur Yoga-Praxis möglich sein musste. Auf diesem Hintergrund basiert sein Forschen nach der Verwendung verschiedener Hilfsmittel, um Personen mit bestimmten Einschränkungen dennoch die Ausführung von wichtigen Yoga-Positionen zu ermöglichen.
Diese Forschungsarbeit intensivierte er am eigenen Leibe, als er bei einem Unfall mit dem Motorroller eine Wirbelsäulenverletzung erlitt. Über einen Zeitraum von zwei Jahren konnte er daraufhin nur mit größten Schwierigkeiten praktizieren, aber gerade diese Erfahrungen bestärkten ihn später im Einsatz verschiedener Hilfsmittel bei der Arbeit mit Personen mit Bewegungseinschränkungen. Hatte sein Schwager Krishnamacharya den Yoga in Indien dahingehend revolutioniert, dass er Frauen unterrichtete, so war es die Neuerung, die Iyengar im Yoga einbrachte, dass er verschiedenste Hilfsmittel ersann, um Yoga für alle Menschen praktikabel zu machen. Zwar zog er sich 1984 aus der offiziellen Unterrrichtstätigkeit zurück, blieb aber immer aktiv in seiner Yogaschule tätig und praktizierte auch selbst mit 90 Jahren noch intensive Yoga-Stellungen.
B.K.S. Iyengar starb am 20. August 2014 im Alter von 95 Jahren. Seine Tochter Geeta S. Iyengar folgte ihm am 16. Dezember 2018, zwei Tage nach der Gedenkfeier zum 100. Geburtstag ihres Vaters.
B.K.S. Iyengar und die Yoga Online Ausstellung
Im Zusammenhang mit einer seiner vielen Asana-Demonstrationen meinte Iyengar einmal, dass diese Aktivität sein Dienst für die Menschen sei. Und in dem Interview, das er noch im Jahr 2012 im Zusammenhang mit der Filmproduktion Enlighten up! gab, betont er, wie sehr er sich kontinuierlich um eine immer bessere Anschauung und ein Verständnis zu den āsana bemüht hat. Diese Haltung, die ganz im Praktischen bleibt und wo selbst die Philosophie praktisch werden muss, ist wohl charakteristisch für seine Herangehensweise an den Yoga. Das Ergebnis sind mit größter Perfektion ausgeführte Stellungen und eine umfassende Körperbeherrschung, zum Beispiel was die Formung der Brustwirbelsäule im Rückwärtsbeugen betrifft. So habe ich gerade diesen Aspekt für die Yoga Online Ausstellung gewählt.
Institute, die Iyengar-Yoga unterrichten, gibt es auf der ganzen Welt. Hier eine Auswahl an länderspezifischen Hauptadressen: Iyengar Yoga Austria, Iyengar-Yoga Deutschland e.V., Iyengar Yoga Schweiz, B.K.S. Iyengar Yoga – The Official Website
Hier das Interview, das Iyengar im Alter von 93 Jahren gegeben hat. Es gibt einen sehr authentischen Eindruck über seine Persönlichkeit:
Textquellen:
Licht auf Yoga, Licht auf Pranayama
Internet (19-93-16):
Wikipedia – B. K. S. Iyengar, Iyengar.Yoga Daniel Weidenbusch, Encyclopedia of World Biography – B.K.S. Iyengar Biography, Elliots World Yoga & Music – BKS Iyengar;
Leap of Faith – Film about life Bellur Krishnamachar Sundaraja Iyengar, Iyengar Interview, Yoga Demonstration BKS Iyengar (1976)
Bildquellennachweis (19-03-16): Beitragsbild-wikipedia, T. Krishnamacharya-wikipedia, Yehudi Menuhin-wikipedia, Geeta S. Iyengar-indianexpress.com